Taxi in Khartoum

Khartoum 2010: Eine Taxifahrt in Khartoum ist eine sehr unterhaltsame Geschichte. Es gibt leider nicht mehr viele dieser herrlich verbeulten, gelben Kisten mt Kofferraum und Dachgepaeckträger. Früher war das Taxi Monopolist für individuelle Fortbewegung. Seit etwa 10 Jahren muss sich das Taxi die Gäste mit den knatternden Rikschas teilen, das sind 3 rädrige, halboffene, aus Indien importierte Gefährte. Die Fahrgäste zahlen den halben Preis bei doppeltem Risiko. Zudem gibt es jetzt die Anjad, das sind kleine Busse, kürzer als ein Auto, die aber 7 Passagieren Platz bieten. Weil die Kunden sich den Preis teilen wird das natürlich billiger. Den Sammeltransport auf Linien in Stadt und Land übernehmen die Haaflas, das sind Busse für etwa 30 Personen. Draußen gibts die Boxis, das sind Pickups deren bis zu 12 Passagiere auf der Ladefläche hinten und neben dem Fahrer sitzen. Damit geht's dann auch durch den Tiefsand. Auch tiefsandgeeignet sind umgebaute LKW, die Passagiere auf der Ladefläche transportieren.

Für die alten Taxis bleiben also nicht mehr so viele Passagiere übrig und so sterben sie langsam aus [die Taxis natürlich]. Aber an ein paar Ecken stehen sie noch. Also erst mal den Preis verhandeln, denn: Taxameter? Was ist denn das? Der Fahrer macht dann die Tür auf, denn das ist gar nicht so einfach, alles klemmt etwas. Dann reinsetzen und erstmal endlos nach unten sinken in den durchgesessenen Sitz. Das ist sehr praktisch weil erhöht die Kopffreiheit. Kniefreiheit ist auch gut weil da kein störendes Armaturenbrett ist. Tür zu machen geht auch ungewöhnlich weil nur durchs offene Fenster, bitte kräftig zuhauen. Das Fenster ist immer offen weil da durch muss der Fahrer kommunizieren. Er wedelt mit der Hand und bittet um Geduld wenn er quer über eine Hauptstraße fährt oder gibt Vorfahrt wenn jemand im Weg steht. Zum Abbiegen muss er die Hand rausstrecken weil Taxis mit Blinker sind ein sehr seltener Anblick und sowieso ist so ein Blinker sehr einsilbig. Die Hupe ist da schon kreativer einsetzbar - und ein unbedingtes Muss.

Das Tollste ist aber zunächst das Losfahren. Der Fahrer bückt sich und kramt tief unter dem Lenkrad. Vielleicht ist ihm der Schlüssel runtergefallen denke ich, als er zwei Drähte mit verdrillten Kupferenden hervorkramt. Es funkt kurz und dann läuft der Motor. Herrlich! Es geht los. Die Kupplung scheint noch gut Griff zu haben. Trotzdem ist die Geschwindigkeit nicht hoch und unzählige Haaflas brausen links und rechts vorbei. Alle paar Hundert Meter korrigiert der Taxifahrer mit viertel Lenkradbewegung das Abdriften. Alles schaukelt etwas und wie eine Sänfte schwankt das Taxi durch den Verkehr. Schon möglich dass gleich ein Rad davonrollt oder die Achse bricht, aber bei der Geschwindigkeit passiert da nicht viel und ganz ganz selten hat so ein Taxi mal einen schweren Unfall.

Nur einmal habe ich einen kleinen Unfall erlebt. Wir saßen gerade im Taxi auf der Nil Road, als wieder mal der Verkehr stockte weil die Polizei zur Ausfahrt eines fetten Regierungsschlittens alles absperrte. Plötzlich scheppert's hinten und das schon stehende Taxi macht einen kurzen Satz vorwärts. Gleich raus und nachschaun was los ist. Ein riesiger roter Tojota Cressida hat unser Taxi zur Notbremse gebraucht. Die sowieso verbogene hintere Stoßtange hängt jetzt noch schiefer. Kurze Diskussion mit dem anderen Fahrer dann fahren wir weiter. Der andere hatte kein Geld - da kann man nichts machen. Sofern keine niedere Absicht dabei ist sind Unfälle hier Schicksal. Der Taxifahrer schimpft etwas über die unvorsichtigen Fahrer und verrät dann seinen Trick warum sein Auto überhaupt noch fährt. Beim Anhalten immer Gang raus und Bremse loslassen, dann wird der Impuls durchgereicht und es passiert nicht soviel. Die Fahrer in Khartoum haben also ganz besondere Dinge zu lernen und können sich da mit Anhalteweg und Verkehrsregeln nicht so aufhalten ;-) Die herrlich verbeulten Karossen erzählen davon. Das Blech hält ewig weil alle paar Tage der Wüstenwind als Sandstrahlgebläse die Entrostung vornimmt.
So eine Taxifahrt ist ihr Geld unbedingt wert und jeder der mal in Khartoum ist sollte sie nicht verpassen....

(vergleiche Kairo »Schilderung)

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Lothar Tallner (Dez 2010)
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