Straßenverkehr in Kairo

Eigentlich wollte ich in meinen 6 Wochen Jahresurlaub mit Freunden (mit LKW) ja von Ägypten (Zusteigen) über Sudan (war schon klar, dass das schwierig würde), Eritrea, Äthiopien nach Kenia und in Nairobi wieder zurückfliegen... Äthiopien und Kenia habe ich nie gesehen. Dafür durfte ich tagelang auf der Suche nach Botschaften, Fährtickets u.a. durch Kairo rennen und habe eine Ramadan-Nacht in Saudi-Arabien (ein eher seltenes Vergnügen für Europäer) verbracht. Zum Schluss durfte ich sogar noch ein wenig Eritrea anschauen, bevor mein Urlaub auslief, ohne dass ich das Auto (in Jeddah am Hafen festgehalten) noch gesehen habe. Aber das ist schon eine andere, noch längere Geschichte. Hier geht's erst mal um den für Europäer 'sehr interessanten' Straßenverkehr in Kairo, den ich ausgiebig genießen durfte.

Es gibt eine unausgesprochene Hierarchie der Verkehrsteilnehmer: Busse vor Lastwagen - vor PKW - vor Motorrad - vor Fahrrad und Fußgänger. Irgendwo dazwischen gibt's noch Handwagen und Eselkarren - Kamele hab ich bisher nur draußen in der Wüste gesichtet. Das ganze funktioniert nach dem System des geregelten Chaos. Spurwechsel wird einfach vollzogen, wenn die Hierarchie stimmt. Ansonsten heißt's aufpassen. Dafür sind Spurwechsel über 4 Spuren kein Problem. Ein defektes Auto auf der Mittelspur wird einfach umschwommen (was bei uns unweigerlich zum Zusammenbruch führen würde, klappt hier prima). Ampeln sind grundsätzlich nur als Lichtorgel scheinbar nur zur Auflockerung des Straßenbildes und sonst nicht zu beachten. Die Verkehrspolizei hat da schon etwas mehr Macht. Als Fußgänger ist man - siehe Rangordnung - ziemlich übel dran, falls eine Hauptverkehrsstraße im Weg ist. An neuralgischen Punkten gibts daher (selten) sogar eigens Verkehrpolizisten, die für Fußgänger manchmal eine Bresche freischlagen. Allerdings müssen die aufpassen, dass sie nicht selbst überfahren werden.

Wer sich nicht auskennt - das gilt meist für Touristen - fährt Taxi. Dafür gibt's ziemlich exakte Preise, die aber (vorher) auszuhandeln sind. Taxameter ist ein unnützes Fremdwort. Bei der ersten Fahrt wird man sowieso abgezockt und lernt später, dass der Preis für die paar Kilometer eigentlich den ganzen Tag gereicht hätte. Wenn man sich mit den Taxifahrern unterhält und schon Vorkenntnisse hat, lernt man schnell wieviel es kosten müsste und die Preise werden immer moderater.

Ein Taxi hat einmal angehalten, als ich gerade das erste mal zum Saudi-Konsulat wollte/musste (leider wusste ich nur ungefähr wo es liegt). Weil ich mit noch 20 min Fußweg rechnen musste, hab ich mich auf Verhandlungen eingelassen, aber erst mal gesagt, dass ich laufen will, weil ich nur wenig Geld habe und noch viel erledigen muss. "Taxis sind mir zu teuer". Natürlich war der Taxifahrer sofort mein Freund und hat mir einen Freundschaftspreis vorgeschlagen. Da hatte ich auch noch nicht die große Ahnung und so hab ich ihm einen Vorschlag gemacht: Er bringt mich direkt vor das Saudi-Konsulat und bekommt sein Geld aber wenn er es nicht findet dann gar nichts. Wir sind tatsächlich vor dem Konsulat gelandet. Der Freundschaftspreis war aber doch noch ein wenig hoch, wie ich später gemerkt hatte. Aber ich hab mir die nervige Sucherei in den Nebenstraßen erspart und da kann man sich ganz schön verirren, wenn keine Sonne oder der Nil zum peilen da sind.

Für einen Ägypter ist über eine halbe Stunde Fußmarsch ziemlich unvorstellbar, deswegen dauert es oft sehr lange, bis ein Taxifahrer auf die Preisvorstellungen eingeht, obwohl natürlich dutzende anhalten. Besser ist es schon manchmal ein bereits besetztes Taxi anzuhalten und sich den Fahrpreis zu teilen, was aber bereits eine gewisse Ortskenntnis voraussetzt, weil die Richtung natürlich stimmen muss. Natürlich kann man auch sonst im Taxi viel lernen - besonders, wenn man einen englischsprachigen Taxifahrer erwischt. Zuerst gibts mal eine Liste mehr oder weniger aktueller deutscher Fußballer und Firmen zu hören. Dann ist aber sogar ein kleiner Arabisch-Sprachkurs drin. Immerhin verdanke ich die Kenntnis der Aussprache der Zahlen von 4 bis 10 einer Taxifahrt. Eins bis drei hatte ich schon früher mal im Sudan gelernt (ich wollte mich damals nicht gleich überfordern ;-). Der Taxifahrer musste mich im Eiltempo vom Saudi-Konsulat zur Eritrea-Botschaft kutschieren. In der Freude über das Visum hatte ich übersehen, dass mein Nachname auf dem Visum fehlte, da stand nur Vor- und Zwischenname. Normalerweise kein Beinbruch, weil es ja in meinem Pass klebte. Bei den Saudis hatten aber schon ganz andere Dinge zur Ablehnung des Visums geführt. Die Stories könnten Bücher füllen. Also nichts wie los quer durch Kairo, bevor das Konsulat dichtmacht. Dass mich diese Fahrt nicht das letzte Hemd kostete, verdankte ich nur dem Umstand, dass ich wochenlang 'geübt' hatte und dem Taxifahrer vorrechnen konnte, dass ich mit Minibus zur Not auch zum Ziel komme.

Minibusse fahren als eine Art Linientaxis auf bestimmten Routen. Wenn die Fahrtwege erst mal bekannt sind, sind sie das ideale Verkehrsmittel. Die Startpunkte in den Stadtteilen sind aber zunächst schwer zu finden. Man kann sie auch unterwegs anhalten, das klappt jedoch nur, wenn noch Plätze frei sind und/oder der Fahrer will. Wo sich Linien kreuzen, gibt's sogar spezielle Handzeichen zwischen Fahrgästen und Fahrern. Es findet sich immer jemand, der einen einweist, obwohl gutes Englisch nicht so verbreitet ist. Die Leute sind wirklich sehr hilfsbereit. Daran muss man sich erst mal gewöhnen, wenn man gerade aus einem Tourismusgebiet kommt.

An solchen Orten mit Touristenschwemme versammeln sich die Abzocker, die einen schlechten Eindruck der Bevölkerung vermitteln, der so nicht stimmt. Mir wurde sogar einmal aus einem Minibus heraus eine vergessene Tasche nachgetragen. Und der Manager einer Reifenimport-Firma fuhr uns mit seinem Auto persönlich durch die Stadt. Wir waren auf der Suche nach der Eritea-Botschaft, die inzwischen umgezogen war und sind laut neuer Beschreibung bei ihm gelandet. Er wusste zwar auch nicht wo die Botschaft ist, aber "no problem" das kriegen wir schon heraus. Würde so etwas bei uns in Deutschland auch passieren? So differieren die Eindrücke.

Ein vorschnelles Urteil über ein ganzes Land aufgrund einiger schwarzer Schafe (die es allerdings auch in Massen gibt) ist unfair. Die "Gauner" versammeln sich eben konzentriert in Zonen mit vielen "Frisch-Touristen", die nur kurz mal aus dem Bus herausspringen und ihr Programm abspulen. Die lassen sich natürlich leicht ausnehnmen und scheinbar ist das denen auch egal. Schwierig ist das halt dann für Leute, die sich länger im Land aufhalten und die auf gerechte Preise pochen (müssen). Natürlich müssen die Leute vom Tourismus leben, aber es ist einfach nicht einzusehen, dass normale Ägypter einen Monat hart für das arbeiten, was so ein selbsternannter "Touristenführer" mit allerlei Tricks an einem Tag abzockt.

Zurück zu den Minibussen. Hier gelten geregelte allerdings meist entfernungsunabhängige Fahrpreise. Gezahlt wird entweder bei einem Jungen, der in der Tür hängt und die Sitzplätze anweist oder direkt beim Fahrer. Das Geld wandert per Handreichung nach vorne und das Wechselgeld wieder zurück. Jede Linie wird vorzugsweise mit bestimmten Fahrzeugtypen befahren. VW-Busse fahren z.B. von Gizeh zur Pyramids-Road, die Tojotas von Pyramides zum Tahir. Fragen sollte man aber schon. Ich hatte mich immer gewundert, warum bestimmte Leute immer nur bestimmte VW-Busse anhalten und die anderen durchbrausen. Alles war klar, als mir ein freundlicher Herr erklärt hat, dass die Busse "up bridge" und "down bridge" fahren, für jede Richtung gibt es ein Handzeichen. Im Nu war das rätselhafte Phänomen entzaubert und ich konnte das Handzeichen sogar nutzen, falls ich mal keinen Toyota direkt zum Tahir auftreiben konnte. Mit Umsteigen in Gizeh ging's genauso. Das kostete trotz Umsteigen nicht viel mehr, weil die direkten Busse teurer waren.

Am günstigsten sind natürlich die großen Stadtbusse. Die fahren nur außerhalb der rushour selten. Bei Innenstadtbussen sitzt ein Zahlmeister mit richtiger Kasse am hinteren Ausgang. die Vorortbusse haben einen beweglichen Schaffner, der kassiert. Die Schwierigkeit beim Busfahren besteht darin, die Bus-Nummer (natürlich in arabisch - d.h. mit indischen Zahlen) zu entziffern und zu wissen, welche Nummer wohin fährt. Am besten fragen, damit hab ich nie schlechte Erfahrungen gemacht. Und nicht entmutigen lassen, wenn die Richtung erst mal zum Taxistand zeigt. Beim Nachhaken bekommt man auch den Abfahrtsplatz des Busses heraus.

Die Busse schaun zwar übel aus, aber sind doch relativ pannensicher. In der ganzen Zeit (immerhin war ich über eine Woche lang in Kairo unterwegs) hab ich nur einen "breakdown" erlebt. Das war natürlich gerade am Sylvesternachmittag, als ich nicht zu spät zurück sein wollte. Ein undefinierbares metallisches Geräusch hat den Busfahrer erst mal zum Anhalten verleitet. Hat sich tatsächlich nach "Bruch" angehört, es war aber nichts zu sehen. Der Fahrer liebte seinen Bus jedenfalls so sehr, dass die Fahrt zuende war. Die Passagiere haben sich auf vorbeifahrende Minitaxis aufgeteilt. Das war mir aber doch zu teuer - schließlich hab ich ja schon für den Bus bezahlt. Außerdem war da ein Werbeplakat, das mir schon mal aufgefallen war und das ich immer 5 min vor meiner Haltestelle sah. Also zu Fuß weiter. Leider gab's noch 4 Stück von den Plakaten und der Fußmarsch wurde dementsprechend doch fast eine Stunde länger. Die Pyramids-Road ist verdammt lang! Langweilig war's nicht, weil ich von hartnäckigen Postkartenverkäufern und bettelnden Kindern umschwärmt wurde. Die wollten nicht glauben, daß ich schon genug Karten und kein Geld übrig hatte. Nächstes mal - hab ich mir geschworen - werde ich doch das Geld für den Minibus übrig haben.

Es gibt wirklich erstaunlich wenig Unfälle angesichts der Tatsache, daß unser TÜV wahrscheinlich 90% der Fahrzeuge hier sofort stillegen würde. Alle müssen eben aufpassen und zur Not zur Seite springen. Häuser tun sich damit natürlich etwas schwer. Demzufolge konnte ich auch schon mal einen Lastwagen betrachten, dessen Ladefläche noch aus einer Hauswand herauslugte. Nach 2 Tagen wurde das Haus dann von seinem unerwünschten Besucher befreit.

Lothar Tallner (über Reise '96/97)


Bilder der Reise 1996-1997 [Ägypten-SaudiArabien-Eritrea]
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